WERKSREPORTAGE

Produktion weißer Klinker

Der Ofenwagen auf dem Weg in den Brennofen.

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Wie Weiß ist

  • Autor: Michael Kasiske
  • Fotos: Frank Peterschröder

Es ist das Zarte und Feine von Weiß, auf das sich sein Nimbus von Reinheit und Erhabenheit gründet. Über Jahrhunderte waren die entsprechenden Marmor- und Granitsorten herausragenden Skulpturen oder repräsentativem Bauschmuck vorbehalten. Heute stellt weißer Klinker eine nachhaltige Alternative zum limitierten Naturstein dar. Die Firma Röben, die auf über vierzig Jahre Produktion dieses Steins zurückblickt, kann für sich in Anspruch nehmen, den weltweit weißesten Hartbrandstein in ihrem Angebot zu führen.

Der Poet Eugen Gomringer überschrieb seine Hommage an Günther Uecker, deutscher Maler und Objektkünstler, mit „Wie Weiß ist wissen die Weisen“. Denn Uecker ist berühmt für Reliefs, die meist aus geweißten Nagelfeldern bestehen. Die Abwesenheit von Farben lässt in seinen Arbeiten das Licht-und-Schatten-Spiel der dynamisch ausgerichteten Metallstifte optimal zur Geltung kommen – was bei den strukturierten Oberflächen von weißen Klinkern ähnlich beeindruckt. Unabhängig davon, ob die Steinschicht glatt oder reliefiert ist, in erster Linie ist der weiße Keramikklinker, wie das Produkt von Röben vollständig heißt, ein qualitativ hochwertiger, sehr beständiger Ziegelstein. Sein wesenhaftes Merkmal ist die hohe Dichte, weshalb der Stein kaum Feuchtigkeit aufnimmt und somit auch gegen Schmutz unempfindlich ist; eine nicht zu unterschätzende Eigenschaft, die eine weiße Klinkerwand – anders als etwa eine aus weißem Kalksandstein – über Jahrzehnte makellos aussehen lässt.

„Wie Weiß ist wissen die Weisen.“

Eugen Gomringer

Das beweisen die zahlreichen Gebäude, an denen der Klinker verbaut wurde. Seit etwa 1970, als der anhaltende Wirtschaftsaufschwung vielen Bürgern ein individuelles Eigenheim ermöglichte, erfreut sich weißer Klinker vor allem im mitteldeutschen Raum großer Popularität. Während der Stein international für alle Gebäudetypen Anwendung findet, wird er hierzulande fast ausschließlich im Wohnungsbau eingesetzt. Neben den Beneluxstaaten erfreut sich der weiße Stein in Russland großer Beliebtheit. Seine Farbe ist seit der Oktoberrevolution dem konservativen Bürgertum vorbehalten. Dieser historische Bezug begründet aber vermutlich nur zum Teil die aktuelle Popularität des Steins; als Importartikel – Russland verfügt nicht über die erforderliche Tonsorte – und als unbunte Farbe Ausdruck von Makellosigkeit verleiht er Prestige. Dazu kommt die außergewöhnlich hohe Festigkeit und Unempfindlichkeit des übrigens fast immer in Perlweiß angeforderten Klinkers, die auch härteren Klimabedingungen trotzen.

Der helle Westerwälder Ton wird in der Grube von Bannberscheid abgebaut.

Abgesehen von kohleweißen Handstrichziegeln, die Röben in Querenstede bei Bad Zwischenahn herstellt, befindet sich die gesamte Produktion weißer Klinker in Bannberscheid, einem inmitten des so genannten Kannenbäckerlandes gelegen Dorfes. Diese Kulturlandschaft im rechtsrheinischen Rheinland-Pfalz, die ihren Namen den seit dem 15. Jahrhundert dort ansässigen Töpfereien verdankt, weist die größten Tonvorkommen Europas auf. Hier stellt Röben jährlich 12 bis 13 Millionen weiße Ziegel her, von denen ungefähr ein Drittel perlweiß ist. Außergewöhnlich eisenarme, hochplastische Tone, die sich ausgezeichnet für reinweißen Klinker eignen, finden sich dort in den Gruben des Mogendorfer Beckens. Bereits vor Ort wird der Ton zu einem so genannten Versatz gemischt, der vorzerkleinert an das Ziegelwerk geliefert wird. In dessen eigener Mühle wird das Material noch einmal trocken feinst vermahlen, um Einschlüsse wie Pyrit, auch als Eisen- oder Schwefelkies bekannt, zu unterbinden.

Pyrit würde nämlich beim Brennen aufblühen und schwarze Punkte hinterlassen. In den Mahlprozess wird auch das als Porzellanerde bekannte Kaolin hinzugefügt, das ebenfalls im Westerwald abgebaut wird, sowie Dolomitenmehl – beide Gesteine dienen der Steigerung der farblichen Brillanz. Angesichts der gewünschten reinweißen Erscheinung richtet Röben einen ungewöhnlich sauberen Herstellungsablauf ein. Wie auch alle anderen Sorten werden die weißen Klinker durch Extrusion hergestellt. Hierbei wird das zu absoluter Homogenität zermahlene Tongemisch mittels einer Schnecke verdichtet und mit hohem Druck durch eine zweidimensionale Form gepresst, die zuvor gründlich von den Rückständen andersfarbiger Chargen gereinigt wurde. Aus einem „Mundstück“ kommt ein glatter Strang, der dann – je nach gewünschter Textur – abgeschält oder benarbt wird. Anschließend wird der Strang in Steinformate geschnitten.

Der Ton wird direkt in der Tongrube zu einem so genannten Versatz gemischt, der vorzerkleinert an das Ziegelwerk geliefert wird.

„Das Kannenbäckerland in Rheinland-Pfalz weist die größten Tonvorkommen Europas auf. In den Gruben des Mogendorfer Beckens finden sich außergewöhnlich eisenarme, hochplastische Tone, die sich ausgezeichnet für reinweißen Klinker eignen.“

Die „Rohlinge“ werden so lange getrocknet, bis ihr Wassergehalt zwischen ein bis drei Prozent liegt, danach auf Ofenwägen gesetzt und im Tunnelofen gebrannt. Die weißen Klinker benötigen die von allen Steinen höchste Brenntemperatur, nämlich 1.230 Grad Celsius. Dieses so genannte Sintern sorgt dafür, dass die Poren verschlossen werden und der Stein seine außergewöhnliche Dichte und Härte erhält. Auch hier muss genauestens darauf geachtet werden, dass die Rohlinge vor Flammen und Ruß geschützt sind, um eine makellose Oberfläche zu erzielen. Farblich bietet Röben „Perlweiß“, einen artifiziellen, sehr rein erscheinenden Farbton, und „Sandweiß“, das farblich einem hellen Natursandstein nahekommt. Hier wird die leicht abtönende, warme Färbung durch sich bei hohen Temperaturen lösende Oxide und Eisen erzeugt, die in der Tonmischung enthalten sind.

Im Werk wird das Material noch einmal trocken in einer Mühle fein gemahlen, um Einschlüsse wie Pyrit, auch als Eisenoder Schwefelkies bekannt, zu unterbinden.

„Die weißen Klinker benötigen die von allen Steinen höchste Brenntemperatur, nämlich 1.230 Grad Celsius.“

Durch eine Öffnung im Ofen wird der Brennvorgang durch einen Mitarbeiter kontrolliert.

Eine zusätzliche Variante, die derzeit getestet wird, entsteht durch die Behandlung mit Engobe, einem keramischen Schlamm, der vor dem Brennen auf den Rohling aufgebracht wird. Anders als beim Glasieren entsteht durch das Engobieren keine Schutzschicht, sondern eine Färbung, durch die der Stein eine Art Patina erhält. Bislang werden alte Steine nachgeahmt, indem der Rohling vor dem Brennen eine schamottierte Oberfläche erhält. Dabei wird die Schamotte, ein aus Klinkerbruch zermahlenes Steinmehl, vor dem Brennen aufgebracht, was dem Stein die Anmutung eines handgestrichenen Ziegels gibt. Eine Kuriosität in der Produktpalette Röbens hingegen sind die so genannten schief gebrannten Klinker. Die Rohlinge werden in einem Ofen gebrannt, der an seinen Seitenflächen unterschiedliche Temperaturen aufweist, so dass die heißer gebrannte Seite weiß, die andere cremefarben ausfällt.

Der Ofenwagen auf dem Weg in den Brennofen.

Eine Sonderstellung nimmt der im niedersächsischen Querenstede gebrannte, handgestrichene Ziegel in „kohleweiß“ ein. Ihm liegt ein Rohling aus rotem Ton zugrunde, dessen sichtbare Fläche weiß überzogen wird und durch den Brand dann eine reizvolle, an geschlämmte Wände erinnernde Oberfläche erhält. Da dieser Ton eine geringe Dichte besitzt, sind die physikalischen Eigenschaften jedoch völlig verschieden von den im Westerwald hergestellten Klinkern: Er ist weicher und nimmt auch mehr Wasser auf. Dieser Ziegel bindet bei der Verarbeitung normal ab, wohingegen es zum Vermauern des hochdichten Klinkers eines speziellen Mörtels bedarf.

Die Oberflächen weißer Klinker sind überwiegend glatt oder leicht strukturiert. Hier sieht Röben ein bislang nicht ausgenutztes Potential für seine Produktlinie BRICK-DESIGN®, gerade auch als nahezu pflegefreie Alternative zu geweißten Putzfassaden oder Weißbeton. Durch das Verfugen in Weiß oder Dunkel lassen sich zum einen homogene, zum anderen spannend geometrisch gestaltete Fassadenflächen erzielen.

Für den Künstler Uecker bildet Weiß ohnehin die Grundlage des Universums: „Weiß ist für mich der geistige Raum“, sagt er. „Eine weiße Welt“, fährt er fort, „ist eine humane Welt, in der der Mensch seine farbige Existenz erfährt, lebendig sein kann.“ Der „White Cube“ nicht nur als musealer Kunstraum, sondern als größer gedachter Hintergrund für den sich entfaltenden Menschen? Die Entdeckung des weißen Klinkers als nachhaltigen Baustoff mit vielen unausgeschöpften Möglichkeiten steht noch bevor.

Die geringe Dichte des Handstrichziegels Kohleweiß (links) im Vergleich zum Keramikklinker Perlweiß ist in der Vergrößerung deutlich erkennbar.

 

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